NEIN zum revidierten Polizeigesetz!

    Volksabstimmung vom 29. November 2020

    Neben zwei eidgenössischen Vorlagen stimmt die Bevölkerung im Kanton Solothurn am 29. November 2020 auch über einen Kantonsratsbeschluss zur «Änderung des Gesetzes über die Kantonspolizei» (nachfolgend «Polizeigesetz») ab. Laut AbstimmungsInfo, der offiziellen Mitteilung des Kantons zu dieser Abstimmungsvorlage, hat der Kantonsrat das Gesetz scheinbar klar und nur mit «vereinzelten Gegenstimmen» verabschiedet. Erfolgreich das Referendum gegen dieses Gesetz ergriffen haben sodann aber zwei breit aufgestellte Komitees. Die Vorlage und die Gründe, weshalb das Polizeigesetz nach Meinung des Autors abzulehnen ist, sollen nachfolgend kurz vorgestellt werden.

    (Bild: zVg)
    David Sassan Müller
    Rechtsanwalt und nebenamtlicher Richter
    Niederbuchsiten

    Eines der beiden Referendumskomitees setzt sich aus den Solothurner Jungparteien, von der JUSO und der Jungen SP Region Olten, über die Jungfreisinnigen bis hin zur Jungen SVP, äusserst breit zusammen. Daneben gibt es ein bürgerliches Komitee «Stopp dem Schnüffelstaat – für eine bürgerfreundliche Polizei», welchem neben sehr vielen prominenten Solothurner Politpersönlichkeiten aus allen massgeblichen Parteien auch der Autor angehört. Eine äusserst breit abgestützte Allianz bekämpft also das revidierte kantonale Polizeigesetz.

    Worum geht es beim revidierten Polizeigesetz?
    Mit der Gesetzesänderung sollen laut AbstimmungsInfo der Polizei die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, um die Bevölkerung vor neuen Kriminalitätsformen (Cyberdelikte) zu schützen und Straftaten zu verhindern. Die Kantonspolizei soll handeln dürfen, bevor etwas passiert.
    Viele Teile der Vorlage, darunter beispielsweise die Verlängerung der Polizeiausbildung auf zwei Jahre oder die massvolle Erweiterung des Aufgabengebiets der Polizeilichen Sicherheitsassistenten, sind nicht oder kaum umstritten. Für die beiden Referendumskomitees sind hingegen insbesondere drei Punkte höchst problematisch: Die verdeckte Vorermittlung, die verdeckte Fahndung und die automatisierte Fahrzeugfahndung.
    Gemäss den heute geltenden gesetzlichen Grundlagen ist die verdeckte Vorermittlung bereits erlaubt. Sie ist allerdings beschränkt auf allgemein zugängliche Orte sowie virtuelle Begegnungsräume im Internet, die einem grösseren Benutzerkreis offen stehen. Neu soll das Polizeigesetz keinerlei örtliche Beschränkung hinsichtlich der verdeckten Vorermittlung enthalten. Damit ist der gesamte Privatbereich, vom Schlafzimmer, über jeden mit dem Internet verbundenen Datenträger bis hin zum Bankschliessfach zugänglich für eine verdeckte Vorermittlung. Dies dann oben drauf nicht etwa nur zur vermeintlich präventiven Vermeidung von Schwerstverbrechen. Nein, die verdeckte Vorermittlung kann in einer Vielzahl von Fällen zur Anwendung kommen, sogar bei simplen Vergehen. Dies notabene allein schon dann, wenn Anhaltspunkte für die Begehung einer solchen Tat vorliegen.
    Zudem schafft das Gesetz höchst umstrittene neue Rechtsgrundlagen für die automatisierte Fahrzeugfahndung, indem die Kontrollschilder automatisiert erfasst und mit Datenbanken abgeglichen werden können. Datenschutzrechtlich verpönte Fishing Expeditions wären bei der Polizei dann aber Usus.
    Ebenfalls komplett neue Rechtsgrundlagen enthält das Gesetz für die verdeckte Fahndung. Abgestellt wird auch dabei wiederum nur auf konkrete Anhaltspunkte, ohne dass ein dringender Tatverdacht oder ein richterlicher Beschluss nötig wären. Das revidierte Polizeigesetz würde das Denunziantentum regelrecht beflügeln. Bürgerinnen und Bürger würden sich gegenseitig bespitzeln. Jede Person kann jede andere Person beschuldigen, eine Straftat verüben zu wollen und dies könnte dann zu einer verdeckten Vorermittlung führen.

    Gut gemeint, aber…
    Dass die Polizei präventiv wirken können muss, um Straftaten zu verhindern, ist jedenfalls ein hehres Ziel. Allerdings bewegt sich diese Zielsetzung auf einem schmalen Grat: Sehr rasch kann dieses gut gemeinte Ziel nämlich zu weitreichenden Eingriffen in die persönlichen Freiheiten und in die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger führen. So gilt die verdeckte Vorermittlung laut Rechtsprechung als schwerer Grundrechtseingriff. Bei Fragestellungen wie vorliegend geht es gewissermassen stets auch um ein Abwägen zwischen Sicherheit und Freiheit.
    Beim vorliegenden Polizeigesetz ist allerdings höchst fraglich, ob die einzuführenden neuen Instrumente überhaupt zu mehr Sicherheit führen würden. Dies ist, gerade in Anbetracht des mit den umstrittenen Instrumenten beflügelten Denunziantentums arg zu bezweifeln.

    Fazit
    Mit dem revidierten Polizeigesetz wurde weit über das an sich hehre Ziel hinausgeschossen. Mit Aufnahme der umstrittenen Überwachungsinstrumente wird kaum mehr Sicherheit generiert, sondern wertvolle Kapazitäten der Polizei sinnlos vergeudet. Die Vorlage hat mit Aufnahme dieser Instrumente das gesunde Augenmass verloren. Das Gesetz ist deshalb zur Korrektur zurück zu weisen, damit unsere geschätzten Polizistinnen und Polizisten eine gesetzliche Grundlage bekommen, die auch sie selbst als Mitbürgerinnen und -bürger in ihrer individuellen Freiheit schützt. Vor diesem Hintergrund fordert der Autor alle Solothurnerinnen und Solothurner dazu auf, am 29. November 2020 zum Polizeigesetz ein klares NEIN zu stimmen.

    David Sassan Müller
    Rechtsanwalt und nebenamtlicher Richter
    Niederbuchsiten

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