Im ersten Wahlgang lag Franziska Roth auf dem 2. Platz, mit über 30’000 Stimmen. Mit dieser guten Position geht die SP-Ständeratskandidatin in die zweite Runde gegen den SVP-Kandidaten Christian Imark. Hier einen Überblick, wie die engagierte Nationalrätin politisch einzuordnen ist und wohin ihr politischer Kompass für die nächsten vier Jahre führt.
Der bisherige Ständerat Pirmin Bischof (Mitte) ist bereits gewählt. Remo Ankli von der FDP tritt nicht mehr an. Ihr Konkurrent ist Christian Imark von der SVP. Wie sieht so die Ausgangslage für Sie aus, wie intakt sind Ihre Chancen?
Franziska Roth: Ich habe grosse politische Erfahrung, kann Brücken bauen und gehe respektvoll mit anderen Meinungen um. Im ersten Wahlgang lag ich auf dem 2. Platz, mit über 30’000 Stimmen. Meine Chancen sind intakt.
Wie wollen Sie über ihre linke Wählerbasis hinaus mobilisieren?
Das gute Resultat im ersten Wahlgang zeigt, dass ich bereits am 22. Oktober über die Parteigrenzen hinaus, auch aus dem bürgerlichen Lager, viele Stimmen erhalten habe. Ich verfüge über ein breites politisches Netzwerk, man kennt mich über die Parteigrenzen hinweg und in den letzten vier Jahren habe ich als Nationalrätin gezeigt, dass ich das Gespräch mit allen suche und tragfähige Lösungen finden kann.
Für Ihre Partei steht viel auf dem Spiel: Die SP besetzte in den vergangenen 80 Jahren während deren 68 einen Solothurner Ständeratssitz?
Das ist richtig. Die Solothurner Stimmbevölkerung hat sich während Jahrzehnten für eine SP-Vertretung im Ständerat ausgesprochen und dieses Vertrauen hat sich bewährt. Genauso wie die geteilte Standesstimme. Es braucht eine ausgewogene Vertretung von links und bürgerlich, von Frau und Mann – nur so können wir uns erfolgreich für die Solothurnerinnen und Solothurner einsetzen.
Warum sollte man Sie wählen?
Weil Roth wirkt. Ich bin bereit, die erfolgreiche Tradition sozialdemokratischer Standesvertretung in Bern fortzusetzen. In meinen bisherigen politischen Ämtern habe ich immer nach fairen Kompromissen gesucht und tragfähige Lösungen gefunden. Mit meinem grossen Netzwerk wirke ich seit vier Jahren im Bundeshaus über die Parteigrenzen hinweg. Ich höre zu und werde gehört. Ich bin unabhängig und volksnah und weiss, dass Humor verbindet.
Sie sind stark links positioniert. Als Ständerätin müssen Sie Kompromisse machen. Passt das?
Das passt sehr wohl. Die letzte Legislatur war geprägt von Krisen. Ich habe dort als Sicherheitspolitikerin gezeigt, dass ich Leute an den runden Tisch holen kann und das Parteibuch nicht im Vordergrund steht. Und wenn es der Sache unseres Kantons dient, werde ich gemeinsam mit meinem Standeskollegen Pirmin Bischof am gleichen Strick und in die gleiche Richtung ziehen.
Das grosse Thema, mit dem Christian Imark sicher viele Stimmen holt, ist die Migrations- und Asylpolitik. Wie ist Ihre Haltung hier?
Halbwahrheiten sind die gefährlichsten Lügen. Die SVP macht es sich sehr einfach, wenn sie beispielsweise sagt, die Ausländerinnen und Ausländer seien verantwortlich für sinkenden Wohlstand und Staus auf Schweizer Autobahnen. Der Grossteil der Zugewanderten trägt zu unserem Wohlstand bei, sie werden als Arbeitskräfte beispielsweise in der Wirtschaft und im Gesundheitsbereich dringend gebraucht.
Noch ein Wort zum Thema Asyl: Die Menschenrechte und das Völkerrecht gilt es vehement zu verteidigen. Das Recht auf Schutz vor Verfolgung und Gewalt müssen wir hochhalten. Das gilt für Menschen, die aus der Ukraine flüchten, genau gleich wie für Flüchtlinge aus Syrien, dem Iran, dem Jemen, Afghanistan usw. Die schnelleren Asylverfahren und eine gute Zusammenarbeit mit den Kantonen sind zentral für eine integrierende menschenwürdige Asylpolitik.
Welches sind die wichtigsten Themen, die die Schweiz angehen muss?
Das sind für mich die «drei K»: Stopp dem Krieg, Stärkung der Kaufkraft und Ausbau des Klimaschutzes. Die Schweiz muss dazu beitragen, dass in Europa wieder Frieden herrscht. Dieses Elend ist schwer zu ertragen. Die Kaufkraft schwindet überall und spüren tun dies insbesondere jene, die jeden Tag den Franken umdrehen müssen.
Was wollen Sie tun, um den Mittelstand zu entlasten?
Es gilt die Prämienbelastung subito zu senken, eine Steuerpolitik voranzutreiben, die den Lohn entlastet und Konzerne mehr in die Pflicht nimmt sowie das Mietrecht zu stärken – unter anderem mit punktuellen, periodischen und regional differenzierte Mietrenditekontrollen. Und wir müssen eine gerechte Lösung beim Thema Eigenmietwert finden. Gerade ältere Menschen, die immer hart gearbeitet haben, sind dadurch belastet.
Welches ist ihr Rezept, um das Prämienwachstum zu stoppen?
Mit der Prämien-Entlastungsinitiative verlangt die SP, dass kein Haushalt mehr als zehn Prozent seines verfügbaren Einkommens für die Krankenkassenprämien ausgeben muss. Auch die Einheitskasse wird wieder zum Thema werden. Bessere Grundversorgung durch genügend Hausarztpraxen, statt teure Überversorgung durch zu viele Spezialistinnen und Spezialisten. Und insbesondere Kontrollen und Transparenz endlich umsetzen,
Sie wollen Familien stärken. Wie?
Wer 100 Prozent arbeitet, soll damit seine Familie ernähren können. Wenn das nicht möglich ist, läuft etwas schief. Deshalb setzte ich mich dezidiert für einen schweizweiten Mindestlohn ein. Zudem muss der Gesetzgeber rasch Anpassungen vornehmen gegen ungerechtfertigte Preissteigerungen bei den Krankenkassenprämien, den Stromkosten und den Mieten. Zum Beispiel durch das Einfordern der Kostenmiete statt der Marktmiete.
Vertrauen Sie der Energiestrategie 2050 des Bundes?
Ja, die Energiestrategie ist ein solider Kompromiss, welcher vom Volk mit 58,2 Prozent Ja-Stimmen deutlich angenommen worden ist. Auf diesen Kompromiss können wir bauen. Was für mich klar feststeht: Neue Atomkraftwerke sind ein absolutes Tabu.
Tut die Schweiz genug, um den Klimawandel zu stoppen?
Die Richtung stimmt. Wir haben allerdings zu spät begonnen und sind zu langsam unterwegs. Gerade die SVP torpediert breit abgestützte und austarierte Bestrebungen mit ihren Referenden immer wieder. In unserer direkten Demokratie muss man dies jedoch aushalten und unbeirrt – zum Schutz des Klimas und mit Blick auf die kommenden Generationen – weitermachen.
Bald wird das Thema EU wieder aktuell. Wie ist hier Ihre Haltung?
Die Verhandlungen mit der Europäischen Union müssen dringend wieder aufgenommen werden. Wir verlieren immer mehr Vorteile aus der Kooperation mit der EU. Die Schweiz verhält sich viel zu passiv. Damit sind wir immer in der schwächeren Position. Wir sind mittendrin in Europa, auch unsere Wirtschaft ist auf eine gute Zusammenarbeit mit der EU dringend angewiesen.
Sie gehören in der Sicherheitspolitik bei der SP zu den Dossierführerinnen. Wie würden Sie die Schweizer Neutralität denn heute definieren?
Ich stehe zur Neutralität der Schweiz – sie braucht aber ein Update: Bei einem Angriffskrieg verzichten wir im Sinne der UNO-Charta auf die Gleichbehandlungspflicht. Das heisst, wir zeigen uns solidarisch und unterstützen das angegriffene Land bei seinem verbrieften Recht auf Selbstverteidigung. Wir gehen jedoch kein Bündnis ein. Als Gegenleistung für die von der EU und der NATO erbrachten Sicherheitsleistungen soll die Schweiz künftig deutlich höhere Solidaritätsbeiträge an die Opfer von Angriffskriegen zahlen als heute.
Und wie stehen Sie zum einst von Ihnen unterstützten Abrüsten?
Ich stehe zu einer gut ausgerüsteten Armee und ebenso zu den zivilen Einheiten. Das viele Geld für die Armee soll für reale Bedrohungsszenarien eingesetzt werden, die der Bundesrat in seinem sicherheitspolitischen Bericht beschreibt.
Interview: Corinne Remund